Die WertV ist tot - es lebe die ImmoWertV!

Am 1. Juli 2010 trat nach über 20 Jahren die neue Immobilien­wert­ermittlungs­verordnung (ImmoWertV) in Kraft. Die Erwartungen nach der mehr als zweijährigen Konzeptions- und Diskussionsphase waren hoch.

Von Thomas Fischer
Vorstandsmitglied Leipziger Fachkreis Gewerbeimmobilien e.V.
Bewertungsexperte bei der KPMG AG, NL Leipzig

Die Ziele der neuen ImmoWertV

Der Bericht des 2007 beauftragten Sachverständigengremiums zur Novellierung der (alten) Wertermittlungsverordnung (WertV) war geprägt von Themen wie der Steigerung der Anwenderfreundlichkeit der Verordnung, einer besseren Systematik, einer Präzisierung und Modernisierung der Begriffe sowie der Verbesserung der Transparenz im deutschen Immobilienmarkt.

Neben diesen Minimalforderungen sollte jedoch auch durch die neue Verordnung die deutsche Immobilienbewertungspraxis internationaler werden. Mit der Normierung weiterer Bewertungsverfahren war u. a. das Ziel verbunden, besser auf die volatiler werdenden Immobilienmärkte reagieren zu können und die Akzeptanz deutscher Gutachten auch unter ausländischen Investoren zu erhöhen.

Die wesentlichen Änderungen

Die neue Verordnung für die Immobilienbewertung in Deutschland ist klarer strukturiert und von redundanten Themen befreit worden. Die wesentlichen für die Bewertungspraxis relevanten Änderungen sind die Folgenden:

  • Mit der Übernahme der Formulierungen aus dem Baugesetzbuch stellt man nun auch in der Verordnung unmissverständlich klar, dass Verkehrswert und Marktwert identisch sind.
  • Bei den inhaltlichen Änderungen ist insbesondere die Einführung des Qualitätsstichtags zusätzlich zum Wertermittlungsstichtag zu nennen.
    Zu diesem Zeitpunkt sind alle relevanten Umstände zu bestimmen, die den Grundstückszustand beeinflussen. Die Berücksichtigung von Umständen, die vor oder nach dem Zeitpunkt des Wertermittlungsgutachtens liegen, ist somit zukünftig durch ein Auseinanderfallen von Qualitäts- und Wertermittlungsstichtag transparenter möglich. Anwendungsfälle sind z. B. bei der Bewertung im Zusammenhang mit städtebaulichen Entwicklungs- und Sanierungsgebieten, bei der Bemessung von Entschädigungen oder aber auch bei der Ermittlung von Marktwerten unter Zugrundelegung eines zukünftigen Entwicklungszustands zu sehen.
  • Darüber hinaus fallen die Bemühungen des Gesetzgebers auf, die methodische Vielfältigkeit der deutschen Bewertungspraxis zu erhöhen.
    Zusätzlich zum bisher nach WertV geläufigen „allgemeinen Ertragswertverfahren“ wird mit der ImmoWertV das „vereinfachte Ertragswertverfahren“ normiert. Auch wenn das vereinfachte und allgemeine Ertragswertverfahren durch mathematische Umformungen ineinander überleitbar sind und demnach zu identischen Ergebnissen führen, eröffnet es doch dem deutschen Gutachter mit diesem Bewertungsansatz die Möglichkeit, seinem (ausländischen) Kunden eine weniger komplexe Wertermittlung zu erstellen. Aufgrund der weiterhin notwendigen Ableitung der Gebäude-Restnutzungsdauer sowie der erforderlichen Ermittlung des Bodenwertes kann aber eine methodische Übereinstimmung mit angelsächsischen Verfahren wie der Investment Method nicht festgestellt werden.
  • Verbunden mit dem Ziel einer internationalen Harmonisierung der unterschiedlichen Bewertungsmethoden und der damit erhofften Erhöhung der Akzeptanz deutscher Wertermittlung durch ausländische Investoren wurde in die ImmoWertV das Ertragswertverfahren auf der Grundlage periodisch unterschiedlicher Erträge aufgenommen. Die Ableitung der zukünftigen Mieterträge erfolgt dabei auf Basis gesicherter Daten wie beispielsweise vertraglich vereinbarter Staffelmieten. Bewirtschaftungskosten werden demgegenüber analog zum statischen Ertragswertverfahren angesetzt. Nicht zuletzt der Hinweis in §17 ImmoWertV auf die Verwendung des Liegenschaftszinssatzes lässt erkennen, dass es sich bei diesem Bewertungsmodell nicht um die in der Immobilienwirtschaft mittlerweile etablierte Discounted Cashflow (DCF) Methode handelt. Vielmehr muss festgestellt werden, dass dieses Verfahren in Übereinstimmung mit den zwei anderen Ertragswertverfahren ein Realwertmodell ist. Wesentliche Informationen z. B. aus der Gegenüberstellung vertraglich fixierter Mieterträge mit sich davon losgelöst entwickelnden Bewirtschaftungskosten bleiben für den Adressaten somit auch weiterhin verborgen.

Fazit für die Immobilienbewertung

Die hohen Erwartungen an eine Novellierung der Wertermittlungsnormen wurden durch die ImmoWertV nicht erfüllt. Darüber hinweg täuschen können auch nicht die durchaus zu befürwortende verbesserte Struktur und die vorgenommenen begrifflichen Klarstellungen.

Allein durch die neue Verordnung werden sich keine Immobilienwerte ändern, was für eine fortwährende Konstanz in der Bewertergilde spricht. Die neuen Verfahren suggerieren Internationalität und bergen damit die große Gefahr, die nächsten Missverständnisse hervorzurufen.

Die neue ImmoWertV ist ein Schritt in die richtige Richtung. Man kann jedoch davon ausgehen, dass der Schritt bis zur nächsten Novellierung nicht wieder einen Zeitraum von über 20 Jahren in Anspruch nehmen wird.